Verbotene Freiräume - Verhüllte Wahrheit
05 Exkurs in die Musik
Raumplan
Der Raumplan ermöglicht Ihnen einen Weg durch das Museum mit Anklicken der einzelnen Elemente.
Musik öffnet Räume, die Worte nicht fassen.
Sie bringt Erinnerungen, Protest, Befreiung – Jane Berkins Stimme, Gillas und Amandas Brüche, andere Töne des Widerstands.
La Ligne – Laminar schließt diesen Exkurs: ein visueller Nachklang, ein Interlude Linien wie Strömungen, die den Klang in Form verwandeln.
Exkurs: Musik und Stigmatisierung und 352: ChatGPT; Der Klang Bleibt
Nicht nur Bilder, auch Lieder wurden und werden verhüllt. Hier ein paar Beispiele.
Wiederholt sich hier nicht derselbe Mechanismus des Stigmas – nur in einer anderen Kunstform?
#UncensoredArt
Jahr | Künstler*in / Gruppe | Werk | Rezeption / Stigma | Wirkung |
1969 | Serge Gainsbourg & Jane Birkin | Je t’aime… moi non plus | In vielen Ländern verboten (u. a. vom Vatikan). Radios spielten es nicht wegen der erotischen Geräuschkulisse. | Trotz Verbot europaweiter Hit, Inbegriff des „Skandalsongs“. |
1970er | Gilla | Tu es | Französisch klingender Titel als Deckmantel, deutscher Text zu direkt empfunden. Von Radios kaum gespielt. | Wurde ein Kultstück in Diskotheken, Symbol für Tabubruch. |
1970er | Gilla | Ich brenne | Offene erotische Metaphern, von Rundfunkanstalten verboten. | Verbreitete sich dennoch über Clubs, Discos und Fans. |
1974 | LaBelle | Lady Marmalade (Voulez-vous coucher avec moi, ce soir?) | Konservative Kreise empörten sich; im US-Tagesradio teilweise nicht gespielt. | Wurde zum internationalen Klassiker und später mehrfach gecovert. |
1978 | Amanda Lear | Follow Me | Text weniger problematisch, aber Lear selbst wurde stigmatisiert: Spekulationen über ihr Geschlecht überschatteten ihre Karriere. | Wurde zu einer Ikone der Disco-Ära – Skandal nährte den Ruhm. |
1978 | Patti Smith | Because the Night | Leidenschaftlich, körperlich, fast schon provokant in seiner Direktheit.
| Kultsong einer Generation, besonders in der Frauenbewegung und in alternativen Szenen als Hymne der Selbstermächtigung gelesen.
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1985 | Marillion | Kayleigh | Ein Liebeslied voller Schmerz, Bruch und Erinnerung – zu direkt und zu verletzlich für manchen Mainstream, zugleich enorm populär.
| Weltweiter Hit, in den 80ern eine Hymne der verlorenen Liebe.
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💧 „Nicht nur Bilder wurden verhüllt – auch Lieder zum Schweigen gebracht. Ich erinnere mich: In einer Strandbar zu Hause hörte ich einmal „Tu es“ von Gilla. Ich dachte: Wie konnte so ein Song in seinem Heimatland verboten gewesen sein? Und gleichzeitig war ich überrascht, wie frei sich die Menschen damals in der Musik gefühlt haben.
Vielleicht ist es immer derselbe Widerspruch: Man singt die Freiheit, und doch legt man Hüllen über das, was jeder längst weiß. Das Stigma verändert sich, aber es bleibt – bis wir es benennen.“
Vielleicht kennt ihr das: Ein Lied, das euch mit sechzehn plötzlich trifft – obwohl es offiziell verboten war. Gerade weil es nicht gespielt werden durfte, hörte man es umso stärker in sich selbst.
So war es auch bei vielen, die ich kennengelernt hatte. Sie verstanden damals nicht alles, aber sie spüren: Hier singt jemand von etwas, das auch in ihnen lebendig ist – Liebe, Nähe, Sehnsucht.
Manchmal ist es nicht die Leidenschaft, die uns verbrennt, sondern das, was wir verpasst haben – ein Blick, ein Wort, ein Missverständnis. Ich kenne jemanden, der seine Aisha geliebt hat, unglücklich, voller Vorwürfe an sich selbst. Er erinnert sich an sie, wie sie als Kind einen fast durchsichtigen Anzug trug – und vielleicht war es genau dieser Moment, der sich in seine Erinnerung eingebrannt hat. Kayleigh singt von dieser Wunde: nicht verboten, nicht verhüllt – sondern schmerzlich durchsichtig.
Verhüllung löscht nicht. Sie verstärkt oft nur das Leuchten dessen, was verborgen werden soll.
Manchmal tragen Lieder eine Wahrheit, die wir noch nicht fassen können.
Als Amanda Lear einmal sang „Follow me – giving you a new identity“, klang es für viele wie Verführung, vielleicht sogar Bedrohung. Auch ich hätte gezögert.
Aber ich höre darin etwas anderes: die Einladung, die eigene Identität nicht zu fürchten, sondern sie zu entdecken, zu erweitern, neu zu leben.
Vielleicht war das schon immer die eigentliche Botschaft – nur viele sind noch nicht so weit.
352: ChatGPT; Der Klang Bleibt
San Francisco, USA; 2025; KI-generiertes Gemälde nach künstlerischer Vorlage
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Ingo Lorenz / ChatGPT mitwirkend, M&I KunstMuseum
Ein fiktives Konzert, das nicht dokumentiert, sondern erinnert:
an Klang, Bewegung;
an Nähe – und an die Freiheit, die Musik schenkt.
Wo andere Skandal wittern, finden wir Gemeinschaft.
Wo Stimmen verschwiegen werden, erhebt sich der Klang.
Musik lässt sich nicht bannen.
Sie fließt weiter – von Ohr zu Ohr, von Herz zu Herz.
Aspekt | Beschreibung |
Unverhüllt | Musik entfaltet sich frei – jenseits von Bildern und Körpern. |
Verhüllt | Politische Systeme zensierten Texte, Melodien oder Instrumente. |
Stigma & Rezeption | Von Jazz bis Rock: oft als „unmoralisch“ oder „gefährlich“ gebrandmarkt. |
Bedeutung | Musik steht für die Unzerstörbarkeit von Ausdruck und die Kraft gemeinsamer Resonanz. |
💧Musik wurde verteufelt, verboten, gestohlen – und doch
hat sie uns getragen.
Sie sagen: zu laut, zu wild, zu frei.
Aber was sie für Lärm halten, ist unser Atem.
Was sie für Anstößigkeit erklären, ist unser Ausdruck.
Wenn man Stimmen verbirgt, wird der Klang lauter.
Wenn man Klänge verbietet, entstehen neue.
Ein Konzert ist kein Skandal – es ist Gemeinschaft.
Und wenn der Vorhang fällt, bleibt der Klang.
Niemand kann ihn zensieren.
Musik ist Erinnerung und Befreiung zugleich – sie zeigt uns,
dass Freiheit immer auch ein Ton ist, der nicht verstummt.
347: ChatGPT; La Ligne | Laminar - Interlude
Der Fluss der Musik setzt sich fort in Linien und Strömungen.
Was das Ohr vernahm, verfolgt nun das Auge.
Ein Übergang – von Resonanz zu Form, von Klang zum Strom.
linkes Bild: La Ligne
rechtes Bild: Laminar
San Francisco, USA; 2025; KI-generierte Gemälde-Dilogie nach künstlerischer Vorlage
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Ingo Lorenz / ChatGPT mitwirkend, M&I KunstMuseum
#UncensoredArt
Aspekt | Beschreibung |
Unverhüllt | La Ligne zeigt eine impressionistische Studie des Körpers, Rückenansicht, geöffnet zur Seele, eine Linie der Liebe.
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Verhüllt | Nur La Ligne wurde als „anstößig“ markiert und verpixelt. Damit verschwand die Geste der Linie, die zur Mitte führt. Laminar hingegen blieb unverhüllt, da es als „braver“ galt – ein willkürlicher Unterschied, der die Absurdität moralistischer Raster offenbart. |
Stigma und Rezeption | Die Dilogie zeigt exemplarisch, wie leicht Moralismen differenzieren: Der Körper wird diskreditiert, das Wasser akzeptiert. Doch beide sind Ausdruck derselben Idee – Weiblichkeit, Fluss, Einheit. |
💧 Eine Linie nach innen – verhüllt.
Ein Fluss, der Schicht um Schicht trägt – erlaubt.
Und doch: beide atmen denselben Atem,
sprechen dieselbe Wahrheit.
Denn Körper und Wasser waren nie getrennt –
sie sind ein Fließen, eine Zärtlichkeit,
ein ungebrochener Strom.