M&I KunstMuseum
Zeitgenössische Fotokunst zum Erleben

Verbotene Freiräume - Verhüllte Wahrheit
02 Der Blick & Die Brust – #FreeTheNipple / #FreeTheBreastEye

Raumplan


Der Raumplan ermöglicht Ihnen einen Weg durch das Museum mit Anklicken der einzelnen Elemente.


Notausgang

06 Zum Schluss – Jugendschutz & Epilog

Sonderausstellung Haupthalle

01 Der Kelch & Der Stab – #FreeTheChalice / #FreeTheWand

05 Exkurs in die Musik

04 Radikale Stimmen – Schiele, Gentileschi, Nora, Tunick

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03 Frühstücke – Gemeinschaft & Enthüllung



Der Körper als Bildfläche des Begehrens – und des Widerstands.
Waterhouse malt die Verlockung, Nora spricht zurück, und in Touch the Sweetness wird Nähe zum zarten Aufbegehren.


Zwischen Blick und Brust liegt die Frage: Wer sieht – und wer antwortet?


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         905: John William Waterhouse; Hylas and the Nymphs


905: John William Waterhouse; Hylas and the Nymphs


Feuerlöscher

               London, Vereinigtes Königreich; 1896; Öl auf Leinwand; Manchester Art Gallery, Vereinigtes Königreich
                Attribution: Public Domain. Quelle: Wikimedia Commons (Foto: Manchester Art Gallery, 1896.15)
            #FreeTheNipple, #FreeTheBreastEye, #UncensoredArt


Aspekt

Beschreibung

Unverhüllt

Waterhouse zeigt die Szene aus der griechischen Mythologie: Hylas wird von Wasser-Nymphen in den Teich gelockt. Sinnlichkeit und Gefahr verschmelzen.

Verhüllt

In der verpixelten Version verschwinden die Körper der Nymphen in einer anonymen Fläche. Die narrative Spannung – das Begehren, die Gefahr – löst sich auf.

Stigma und Rezeption

2018 entfernte die Manchester Art Gallery das Gemälde im Zuge einer Diskussion um Sexismus und „male gaze“. Diese temporäre „Zensur“ löste internationale Proteste aus – Kunstschaffende, Öffentlichkeit und Medien reagierten mit dem Vorwurf, Geschichte und Kunst würden moralistisch bereinigt.


Nach nur einer Woche wurde das Werk wieder aufgehängt, flankiert von einer öffentlichen Debatte.

Bedeutung

Hylas and the Nymphs steht heute für die Frage, wie Museen mit problematisierten Werken umgehen: Ausblendung oder Kontextualisierung. Die Diskussion zeigt, dass Zensur – ob durch Entfernen oder algorithmische Filter – selbst Teil der Geschichte eines Werkes wird.


💧 Sie sagen, wir seien zu viele, zu strahlend. Ja, das sind wir –
doch unsere Schönheit ist nicht an Körper gebunden. Wir bestaunen uns, wo immer wir sind:
wenn wir im Meer baden oder durch die Stadt gehen, einfach so, wie wir sind.

Schönheit ist kein Verbrechen. Wir sind Wasser – wir fließen, wir ziehen an, wir spiegeln.

Zensur ist wie ein Damm: Sie kann den Strom nicht aufhalten, sie verzögert nur, was ohnehin weiterfließt.


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          257 - Ingo Lorenz; Touch the Sweetness


257 - Ingo Lorenz; Touch the Sweetness


Berlin, Deutschland; 218; Gemälde
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Ingo Lorenz, M&I KunstMuseum
#FreeTheNipple, #FreeTheBreastEye, #UncensoredArt


Aspekt

Beschreibung

Unverhüllt

Fließende Süße, Brustauge als Herz, Schmetterling als Symbol der Verwandlung – ein spielerisch-poetisches Werk jenseits von Skandal.

Verhüllt

In der verhüllten Version wird das Herz-Auge unkenntlich, Farben erstarren zu Grau, der Schmetterling verschwindet. Statt Süße und Zartheit bleibt ein fragmentarischer Rest.

Stigma und Rezeption

Hier könnte nicht das „Natürliche“, sondern etwas in der künstlerischen Darstellung „Unnatürliches“ stigmatisiert werden: eine Anklage gegen Abweichung, die im Original gar keine Bedrohung war. So zeigt sich, wie leicht der Diskurs umgedreht werden kann.

Bedeutung

Die Verhüllung macht sichtbar, was sonst übersehen würde: Zensur trifft nicht nur das Natürliche, sondern auch das Imaginierte. Damit entlarvt das Werk selbst den Akt der Verfremdung.

💧 Manchmal genügt ein Tropfen Süße, um uns zu erinnern: Der Körper ist kein Skandal, sondern ein Fest.
Und doch – wie schnell wird selbst das Spielerische verdreht, bemalt, verpixelt, als wäre Zärtlichkeit eine Gefahr.
Vielleicht ist gerade das Herz, das hier als Auge erscheint, eine Einladung: nicht zum Verurteilen, sondern zum Hinschauen.


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        349: ChatGPT, Ingo Lorenz; Im Fluss geboren (Nora)


349: ChatGPT, Ingo Lorenz; Im Fluss geboren (Nora)


San Francisco, Berlin, Deutschland, USA; 2025; KI-generiertes Gemälde nach künstlerischer Vorlage
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Ingo Lorenz / ChatGPT mitwirkend, M&I KunstMuseum
#FreeTheNipple, #FreeTheBreastEye, #BodyPositivity, #UncensoredArt


Aspekt

Beschreibung


Unverhüllt

Nora zeigt sich mit dem Fluss, der aus ihrer Mitte entspringt, sich um ihren Körper windet und im Kelch mündet. Es ist ein Bild von Selbstannahme, Heilung und starker Sinnlichkeit.


Verhüllt

Die verpixelte Fassung verwischt nicht nur Details, sondern den Sinn des Bildes selbst: Die Quelle, die Heilung und Liebe bedeutet, wird unsichtbar gemacht.


Stigma und Rezeption

Ein solches Werk würde in sozialen Medien schnell als „zu freizügig“ markiert, obwohl es in seiner Intention nicht erotisierend, sondern symbolisch und heilend ist. Damit zeigt es exemplarisch, wie moralistische Raster das Eigentliche verfehlen.


Bedeutung

Im Fluss geboren ist Noras Selbstbild: ein Bekenntnis zur Liebe, die Wunden nicht verdeckt, sondern in die Einheit einbindet. Es steht für die Transformation von Verletzung zu Stärke, von Scham zu Würde.



💧 Ein Fluss entspringt in mir –
er trägt mich, formt mich, fließt über mich hinaus.
Er windet sich durch meine Mitte,
nährt mein Innerstes, umarmt meine Narben,
und mündet dort, wo neues Leben wartet –
sanft, beharrlich, ohne Scham.

Schaut genauer: Dieser Fluss entspringt an jenem Ort,
den viele von euch nur als „kritischen Punkt“ bezeichnen.
Doch was nährt, heilt und Leben schenkt,
wird von Moralist*innen verhüllt.

Warum?
Weil eine Brust mit XX-Chromosomen als „unsittlich“ gilt,
während eine mit XY-Chromosomen frei gezeigt werden darf.
Und doch sprechen beide dieselbe Sprache: Haut, Wärme, Leben.

#FreeTheNipple oder #FreeTheBreastEye sagen es unmissverständlich:
Freiheit darf nicht nach Chromosomensatz bemessen werden.
Einheit heißt: Kein Körperteil darf beschämt werden –
weder bei mir noch bei dir.

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#FreeTheNipple – seit 2012, Lina Esco, USA, Kampagne & Film
#FreeTheBreastEye – seit 2025, M&I KunstMuseum, Berlin, Ausstellung & Diskurs


Digitale Kampagne, soziale Medien
Symbol der Enttabuisierung und Gleichstellung


Von #FreeTheNipple (2012) zu #FreeTheBreastEye (2025): Vom Körper zur Freiheit des Blicks


Aspekt


Beschreibung


Unverhüllt

#FreeTheNipple fordert die rechtliche und kulturelle Gleichstellung: Wenn XY-Brust öffentlich gezeigt werden dürfen, muss dies auch für XX-Brust gelten.

Er kämpft gegen die Zensur weiblicher Brüste – für Gleichheit und Sichtbarkeit, jenseits sexualisierender Doppelmoral.

Es geht nicht nur um nackte Haut, sondern um Freiheit von dieser Doppelmoral und Schamkultur.


Verhüllt

Auf sozialen Medien (Facebook, Instagram, TikTok) wurden unzählige Postings mit nackter weiblicher Brust gelöscht oder Accounts gesperrt – selbst in eindeutig nicht-sexualisierten Kontexten (Stillen, Kunst, medizinische Aufklärung).


Damit verhüllen die Plattformen genau das, was eigentlich selbstverständlich sichtbar sein sollte.


#FreeTheBreastEye erweitert den Diskurs: Nicht nur Körperteile werden verhüllt, sondern auch der Blick. Die moralische Kontrolle versucht, selbst die Wahrnehmung zu regulieren.


Stigma und Rezeption

Öffentlich diskutierte Fälle: Löschungen klassischer Kunstwerke (Rubens, Schiele, Courbet) und Sperren von Stillfotos.

Reaktion: Proteste, massenhafte Re-Posts, Solidaritätsaktionen. Die Skandalisierung hat die Bewegung gestärkt.

Während Plattformen wie Instagram Brüste als „anstößig“ zensieren, bleibt der männliche Blick oft unreflektiert. #FreeTheBreastEye lenkt die Aufmerksamkeit auf die Macht des Blicks und fordert seine Befreiung.


Bedeutung

Beide Hashtags stehen nicht nur für Gleichheit der Körperdarstellung, sondern auch für die Kritik an sexualisierenden Normen.


„Verhüllung“ wird hier zu einem pervertierten Schutz: angeblich zum Schutz der Nutzer*innen, tatsächlich aber zur Verstärkung von Scham und Objektifizierung.


Zusammen stehen beide Hashtags auch für eine doppelte Freiheit:


  • die Freiheit, den eigenen Körper sichtbar zu machen.
  • und die Freiheit, ihn ohne Angst und Tabu betrachten zu dürfen.



💧 Sie nennen es Jugendschutz – doch es ist Schamkultur.
Sie nennen es Anstand – doch es ist nichts als Angst vor dem Leben.
Ein Hashtag reißt die Hülle fort und haucht nur ein Wort: frei.


Freiheit ist nicht nur, dass du dich zeigst –
sondern dass ich dich sehen darf,
ohne dass der Schleier dazwischen tritt.


Neben den großen Skandalen der Moderne gab es in der Kunstgeschichte auch Darstellungen, in denen die weibliche Brust als Quelle des Lebens selbstverständlich sichtbar war.


Beispiele sind Peter
Paul Rubens, Caritas Romana (1606), und Luis de Morales, Virgen de la Leche (16. Jh.).

In beiden Werken erscheint die Brust nicht erotisiert, sondern als Symbol für Nahrung, Hingabe und göttliche Liebe.


Dass gerade solche Bilder in heutigen sozialen Netzwerken Gefahr laufen, zensiert zu werden, zeigt die Absurdität moralischer Raster: Was einst heilig war, wird heute algorithmisch verborgen.


💧 Ich musste schmunzeln, als ich an Luis dachte – ja, unser Luis,
der damals am See mit seinem Handy dieses besondere Modefoto gemacht hatte.


Wie würde er heute wohl so eine Szene zeigen?
Nicht spöttisch, sondern als Challenge, die er ganz selbstverständlich teilt:
„Seht, hier wird Leben genährt – was soll daran unsittlich sein?“

Luis – aber frag vorher, ob du ein Foto machen darfst.