M&I KunstMuseum
Zeitgenössische Fotokunst zum Erleben

Verbotene Freiräume - Verhüllte Wahrheit
01 Der Kelch & Der Stab – #FreeTheChalice / #FreeTheWand

Raumplan


Der Raumplan ermöglicht Ihnen einen Weg durch das Museum mit Anklicken der einzelnen Elemente.


06 Zum Schluss – Jugendschutz & Epilog

Sonderausstellung Haupthalle

Sie sind hier

05 Exkurs in die Musik

04 Radikale Stimmen – Schiele, Gentileschi, Nora, Tunick

02 Der Blick & Die Brust – #FreeTheNipple / #FreeTheBreastEye


03 Frühstücke – Gemeinschaft & Enthüllung



Symbole der Macht, der Herkunft und des Geheimnisses.
Der Stab erhebt sich, der Kelch empfängt – beide sind Gefäße für Projektionen, Tabus und Verhüllungen.


Courbet, Michelangelo und die zeitgenössische Transformation in Menangkap Apa öffnen diesen Raum neu: nicht als Besitz, 
sondern als Einladung zur Befreiung.


2


      902: Gustave Courbet; L’Origine du Monde


902: Gustave Courbet; L’Origine du Monde


Paris, Frankreich; 1866; Öl auf Leinwand; Musée d’Orsay, Paris, Frankreich
Attribution: Public Domain. Quelle: Wikimedia Commons (Foto: Yann, 2006)

#FreeTheNipple, #FreeTheBreastEye
, #FreeThechalice, #ArtNotPorn, #UncensoredArt


Aspekt

Beschreibung

Unverhüllt

Courbets Gemälde zeigt das weibliche Geschlecht – den Kelch – in radikaler Direktheit. Keine Allegorie, keine Ablenkung, sondern der „Ursprung“ selbst.


Das Gemälde erscheint fast fotorealistisch: Realismus, Dinge so, wie sie sind.

Verhüllt

In der verpixelten Fassung bleibt nur eine amorphe Fläche. Das Detail verschwindet – und mit ihm die Provokation, die Radikalität, die Geschichte.

Stigma und Rezeption

L’Origine du Monde wurde 1866 unmittelbar als obszön und pornographisch gebrandmarkt. Jahrzehntelang blieb es im Verborgenen, im Besitz privater Sammler, und wurde nicht öffentlich ausgestellt.


Erst 1995 nahm das Musée d’Orsay das Werk in seine Sammlung auf.


Auch in jüngerer Zeit bleibt es umstritten: Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram entfernten wiederholt Abbildungen des Gemäldes. Diese Zensur führte zu Protesten und Rechtsstreitigkeiten und machte das Werk zum Symbol für den Kampf um künstlerische Freiheit.


Mit Hashtags wie
#FreeTheNipple oder #FreeTheBreastEye wird es bis heute als Prüfstein einer Debatte um Körper, Moral und Öffentlichkeit verstanden.

Bedeutung

Courbet setzte ein künstlerisches Zeichen gegen Verschleierung und für radikale Sichtbarkeit. Das Bild ist ein Prüfstein: Was passiert, wenn Wahrheit nicht mehr symbolisch, sondern direkt gezeigt wird?


💧 Man sagt, es sei zu viel – dabei zeigt es nur das, was alle kennen.
Gibt es nicht in Frankreich ein Kinderlied, das von dieser Körperregion singt,
wo dies doch für die Kinder das Tor ins offene Leben bedeutet?
Und ist es nicht eine Körperregion, die zu uns wie jede andere Region gehört?

Die Verhüllung löscht nicht die Wirklichkeit, sondern die Ehrlichkeit.
Und vielleicht fürchten sie nicht das Bild, sondern die Nähe, die es schafft.


3


       1100: Ingo Lorenz; David (Dilogie)


1100: Ingo Lorenz; David (Dilogie)


Berlin, Deutschland; 2025; Fotografie (an der Piazza della Signoria in Firenze)
(nach Michelangelo Buonarroti, David, 1501–1504, Florenz, Galleria dell’Accademia)
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Ingo Lorenz, M&I KunstMuseum
#FreeTheWand, #ArtNotPorn, #UncensoredArt


Die Dilogie zeigt, wie sich zwischen Präsenz und Intimität ein Spannungsfeld eröffnet:

Im linken Bild verweist die Hand auf das Sichtbare, beinahe wie ein Kommentar zum öffentlichen Raum, in dem Michelangelos David seit Jahrhunderten steht – bewundert, umstritten, instrumentalisiert.

Im rechten Bild jedoch tritt ein spielerisches, erotisches Moment hinzu, das durch Verpixelung verschwindet. Die Verhüllung markiert, wie leicht aus menschlicher Nähe ein Tabu wird – und wie schnell die Lust am Leben zur „anstößigen“ Geste erklärt wird.


Aspekt

Links: Demonstrative Präsenz

Rechts: Erotische Stigmatisierung

Unverhüllt

Die Körperregion ist sichtbar, die Hand weist demonstrativ darauf – Präsenz im öffentlichen Raum.

Die ursprüngliche Geste war eine spielerische, erotische Berührung – sichtbar, intim, menschlich.

Verhüllt

Leichte Verpixelung: das Dasein wird nicht gelöscht, aber markiert als „Problemzone“.

Radikale Verpixelung: der erotische Moment wird völlig unsichtbar gemacht, Interaktion entzogen.

Stigma und Rezeption

Historisch: David selbst war mehrfach Objekt moralischer Debatten – von Schamkultur bis zur Symbolik männlicher Tugend.

Zeitgenössisch: Digitale Plattformen und Moralismus stigmatisieren Erotik als „anstößig“, selbst wenn sie liebevoll oder spielerisch gemeint ist.

Bedeutung

Verhüllung zeigt Abstufungen: Präsenz bleibt, aber mit Makel.

Verhüllung löscht Intimität, macht Nähe unsichtbar, wo Menschlichkeit sichtbar sein könnte.


💧 Siehst du?


Manchmal genügt ein Fingerzeig, und schon liegt ein Schatten auf dem, was immer da war.
Und manchmal berührt ein Finger – sanft, verspielt – und schon ist es zu viel.
Doch die Wahrheit bleibt: Nähe ist kein Skandal, sondern ein Geschenk.


Und weißt du – bei uns ist es nichts Ungewöhnliches, sich auch einmal spielerisch zu berühren.
Nicht mehr und nicht weniger, einfach Nähe – selbstverständlich wie ein Lächeln.


4


          1101 - Mona Syarif-Lorenz, Ingo Lorenz (ed.); Menangkap Apa


1101 - Mona Syarif-Lorenz, Ingo Lorenz (bearb.); Menangkap Apa


Berlin, Deutschland; 2024; Fotocollage
In privater Sammlung des Künstlers, Archiv des M&I KunstMuseums, Berlin, Deutschland
Attribution: © Mona Syarif-Lorenz / Ingo Lorenz mitwirkend, M&I KunstMuseum
#FreeTheCalice, #FreeTheWand, #UncensoredArt


Aspekt

Beschreibung

Unverhüllt

Die Hand umfasst, hält, fängt – und lässt doch offen, ob es Schutz, Besitz oder Hingabe ist. Körper und Geste verschmelzen zu einem Symbol, das keine Eindeutigkeit erzwingt.

Verhüllt

Die Pixelung verwandelt die Geste in Leere. Was gefangen werden könnte, ist nicht mehr sichtbar – und damit auch nicht mehr sagbar. Das Erotische, das Ambivalente, wird neutralisiert.

Stigma und Rezeption

(Bisher nicht dokumentiert – Werk bislang nur in privater Sammlung, keine öffentliche Rezeption.)

Bedeutung

Das Werk spielt mit der Frage, ob wir Formen, Gesten und Symbole ertragen – oder ob Moralismus sie zum Verstummen bringt.


💧 Vielleicht ist das die größte Freiheit: nicht zu wissen, was gefangen ist. 
Ein Vogel? Ein Kelch? Ein Stab?
Oder nur ein Gefühl.
Solange wir es nicht verhüllen, dürfen wir es noch fragen.


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#FreeTheChalice & #FreeTheWand– seit 2025, M&I KunstMuseum, Berlin, Ausstellung & Diskurs


Neue und revolutionäre digitale Kampagne, soziale Medien
Symbol von noch mehr Enttabuisierung und Gleichstellung


Mit #FreeTheChalice und #FreeTheWand erweitert die Ausstellung den Diskurs:


  • L’Origine du Monde – einst als Skandal verhüllt, heute Symbol weiblicher Selbstbestimmung.
  • David – heroisiert als Monument, zugleich im Detail tabuisiert.
  • Menangkap Apa - wo Kelch und Stab ineinanderfließen, wird Androgynie zur sanften Befreiungsgeste.


Die drei Werke stehen sich gegenüber wie Pole derselben Wahrheit: Dass Körperlichkeit, ob weiblich oder männlich, kein Makel ist, sondern Ausdruck von Leben.


Aspekt

#FreeTheChalice

#FreeTheWand

Synthese

Unverhüllt

Courbets L’Origine du Monde zeigt den weiblichen Körper unverstellt – ein Skandal seiner Zeit, heute ein Symbol für Sichtbarkeit.

Michelangelos David verkörpert das Männliche als Idealbild – heroisch, nackt, öffentlich aufgestellt.


Menangkap Apa zeigt die Verschmelzung von Kelch und Stab – keine Gegenüberstellung, sondern eine zärtliche Geste der Einheit.

Verhüllt

Jahrzehntelang galt das Werk als „unanständig“ und wurde verborgen – von Privatsammlungen bis hin zur digitalen Zensur.

In Ausschnitten oder spielerischen Inszenierungen wird die Körperregion häufig zensiert oder stigmatisiert.

Gerade weil klassische Kategorien verschwimmen, entzieht sich das Werk der einfachen Zensur. Es zeigt nicht „entweder–oder“, sondern etwas Dazwischen, das schwerer zu fassen ist.

Stigma und Rezeption

Einst als obszön geächtet, später von feministischen Diskursen neu gedeutet: Der „Kelch“ als Quelle von Leben, Lust und Freiheit.

Vom Renaissance-Symbol für Freiheit bis zu heutigen Verpixelungen in sozialen Medien: Die männliche Nacktheit ist zugleich Monument und Tabu.

Wo binäre Symbole aufgelöst werden, reagiert die Gesellschaft oft mit Unsicherheit: Weder Skandal noch Monument, sondern irritierende Offenheit.

Bedeutung

#FreeTheChalice steht für die Befreiung des Weiblichen von Tabu und Scham, für Anerkennung statt Stigmatisierung.

#FreeTheWand steht für die Sichtbarkeit des Männlichen jenseits von Scham oder Heroisierung – für eine Kultur, die Intimität und Körperlichkeit nicht unterdrückt, sondern selbstverständlich anerkennt.

Menangkap Apa steht für die Überwindung der Gegensätze: #FreeTheChalice und #FreeTheWand werden zu einem gemeinsamen Zeichen – Befreiung durch Verschmelzung.


💧.Ein Kelch, ein Stab – mehr braucht es nicht, um Moral ins Wanken zu bringen.
Warum fürchten wir das, was uns doch geboren hat, was uns trägt und verbindet?

Bei uns ist es selbstverständlich: Wir schauen, wir berühren, wir teilen – ohne Scham, ohne Skandal.

Und Luis? Nun ja … auch er hätte gern einmal aus einem Kelch getrunken.
Vielleicht aus Neugier. Vielleicht aus Lust. Vielleicht, weil ein Kelch mehr ist als nur ein Bild – er ist Einladung.

Und darin liegt die Wahrheit: Dass Lust und Liebe kein Vergehen sind, sondern Geschenke.